Tai Chi Chuan ist eine gesundheitsfördernde Bewegungsübung, wohltuende Körpermeditation und die Frucht eines Prozesses kollektiven Wissens- und Erfahrungsaustausches chinesischer Familien über viele Generationen hinweg. Tai Chi ist in der chinesischen Kultur tiefverwurzelt und kann im Mutterland auf eine lange Tradition zurückblicken. Zu den Kampfkünsten in China gehörten auch schon immer die Waffenformen.
Das Tai Chi Chuan des Wu-Stils als Teil dieser Tradition bietet dem Schüler verschiedene Waffenformen an. Wenn man daran interessiert ist, der Tradition zu folgen und ein vollständiges System zu erlernen, sind die Waffenformen, ergänzend zur Handform und dem Tui Shou, ein wichtiger Bestandteil.
Traditionell gibt es drei überlieferte Waffen: den Säbel, die Lanze sowie das Schwert.
Entsprechend den Worten von Ma Jiangbao (1941-2016), dem Sohn zweier berühmter Vertreter des Wu-Stils: Ma Yueliang (1901-1998) und Wu Yinghua (1907-1996), der Tochter des Wu-Stil-Begründers Wu Jianquan (1870-1942), ist der klassische Ausbildungskanon des Wu-Stils einzuhalten, der eine Reihenfolge im Erlernen der Formen vorsieht:
Lange Form, Tui Shou, Säbel, Lanze, Schnelle Form, Schwert.
Ergänzend zu den überlieferten Waffen gibt es noch eine weitere Waffenform, die sogenannte Fächerform. Sie wurde neuzeitlich von Jin Ye (geb. 1961), der Nichte von Ma Jiangbao, auf Basis der Schwertform geschaffen.
In den Waffenformen sind die Grundstellungen, analog der langsamen Form, her kompakt, natürlich und locker, langsam und ununterbrochen, lebendig, fließend, weich und ausgeglichen. Darüber hinaus werden jedoch auch einige Stellen dynamisch ausgeführt. Bedingt durch den Wechsel zwischen langsam und schnell, sowie hart und weich, fördert dies eine sportliche Fitness des Schülers und stellt mit zunehmendem Übungsverlauf hohe Ansprüche an die Körperbeherrschung. Neben der Dynamisierung gibt es in den Waffenformen obendrein weitere Bewegungsbilder die in der Handform so nicht existieren bzw. vorkommen.
Entsprechend der sportlichen Aktivität sowie des intensiveren Austausches mit dem eigenen Körper können die Waffenformen den gesundheitlichen Effekt des Tai Chi Chuans, verstärken. Werden die Waffenformen zudem als Soloform (d. h. ohne Partner) geübt, kann man die Belastung an die eigene Konstitution bestens anpassen. Die Waffenformen sind folglich eine ideale Ergänzung zur langsamen Form.
Die Kultivierung der Waffenformen zu Zeiten des alten Chinas war noch stark vom Kampfkunstgedanken und deren Anwendung im Kampf „Mann gegen Mann“ geprägt. Heutzutage geht es beim Erlernen aller Waffenformen weniger um das Kämpfen, sondern vielmehr um die Konzentration auf die Einheit von Körper, Geist und Übungsgerät. Bedingt durch die Eigenschaft der jeweiligen Waffe, ergeben sich in jeder Form Besonderheiten, die für ein tieferes Verständnis in die Kunst und deren Schönheit, unabdingbar sind.
Letztendlich komplementieren die vielseitigen Waffenformen ein geschlossenes Übungssystem des Wu-Stil Tai Chi Chuan, welches es als Kulturgut zu erhalten gilt.
Neben der Handform wird im Wu-Stil Tai Chi Chuan bis heute eine umfangreiche Sammlung an Formen (Säbel-, Lanzen-, Schwert- und Schnelle Form) praktiziert. Die Waffenformen sind, da die Formen insgesamt schneller ausgeführt werden und die Waffe selbst zudem noch Gewicht hat , körperlich sehr anspruchsvoll. Vor dem Erlernen der Waffenformen sollte man sich daher sehr intensiv mit der Grundlage des Tai Chi Chuan Wu-Stils, der Langsamen Form, auseinander gesetzt haben. Als erste Waffenform wird der Säbel, dann die Lanze und zuletzt das Schwert unterrichtet.